Werkstatt von Ruedi Brun

 

Der Gewinn des Dagmerseller Kulturbatzens bedeutet ihm viel, sehr viel: Ruedi «Degu» Brun in seiner Werkstatt, in der Dorfkultur gelebt wird.


Die «coolturellste» Werkstatt

Dagmersellen | Ruedi «Degu» Brun – der Kulturbatzengewinner im Porträt

Als Kulturbatzenpreisträger hängt sein Himmel voller Geigen – im wahren Leben fühlt sich Ruedi Brun unter -zig Velofelgen wie im siebten Himmel.

Er frönt nicht dem Alkohol, ertränkt weder seinen Kummer damit, noch hat er eine Hasenscharte. Doch das Berner Original Dällebach Kari hat mit dem Dagmerseller Ruedi Brun ein paar Gemeinsamkeiten. Der Schalk, der Witz liegt beiden im Blut und vor allem ist der Weg zur Beiz kürzer als eine Pedalenumdrehung. Rechts der Eingang in die Werk- statt, links jener ins «Rössli». Wer den Meister um 9.00 Uhr sehen will, nimmt am Stammtisch im Wirtshaus Platz und trinkt mit ihm einen Espresso. Wer lieber staunt, drückt die Klinke von Ruedi «Degu» Bruns Budeli, taucht in eine andere Welt, eine andere Epoche, ein.


Ein Wunder auf zwölf Quadratmetern

«Es uhuere Poff» sagen die einen. «Ein Künstleratelier» die andern. In der drei auf vier Meter grossen Werkstatt hat Degu so viel Material, wie seine Kollegen auf einer dreigeschossigen Werk- und Verkaufsfläche. An einem alten Fleischerhaken an der Wand hängenzig Bremskabel neben Scheibenbremsen, Packträgern, Tretlagern, Schlüsseln, Schrauben und einem Bild von Juniorenschweizermeister Laurent Arn. Das Velo des ehemaligen Dagmerseller Rad- cracks war «öbbedie» in Degus Montierbock eingespannt, wie der Meister später erzählt. Vor der Ausfahrt habe er zusammen mit dem «Loro» dessen Goldesel «no e chli tuned». Auch ein Bild von Multimillionär Hausi Leutenegger samt Widmung ist an einem der wenigen freien Plätzchen an die Wand gepint. «Äh lo do, der Velohendler», begrüsse ihn dieser jeweils, wenn sie sich auf den Kanaren in den Veloferien begegnen. Der einfache Schrauber Degu war bereits öfters im Palast des Jetsetters Hausi zu Hause.


Degu und die Dorfkultur

«U nei. E Villa. Das wär nüd för mech», sagt Degu. Er nimmt lieber das Ölfläschli statt das Cüpliglas in die Hand. Hier am Rösslikreisel, wo sich Bahnhofsgöppel und Kundenvelos vor der Türe stapeln, brennt bis spätabends Licht. Oft ist er am «Chnüüble». Doch hie und da hat er auch Besuch. Wenn etwa die Jäger von der Pirsch nach Hause wollen, funktioniert er seine Werkstatt zur guten Stube um. Degu räumt die Zündkerzen und die mobile Töffli-Tankstelle auf die Seite, rollt das weisse Bartischli in den kleinen Raum. Fleisch wird aufgeschnitten, ein Gläschen getrunken und gelacht.

«Ohne Kontakte gibt es keine Kultur. Bei Degu wird die Dorfkultur gelebt», sagte Gemeindepräsident Philipp Bucher bei der Bekanntgabe des Dagmerseller Kulturbatzenträgers. «Jo gäu. Ech ha die chrotte einfach gärn», begründet Ruedi Brun seine offenen Türen. Die späten Gäste lassen ihn manchmal mit Verspätung in den oberen Stock wechseln, wo seine Frau Elsbeth auf ihn wartet. «E Gueti» sei sie, sagt er. Und auch auf seine drei Söhne lässt Degu nichts kommen. Ein stolzer Mann, ein stolzer Vater, ein stolzer Handwerker und last but not least ein stolzer Dagmerseller. «Ich wohne im schönsten Dorf mit den nettesten Leuten», sagt Degu ernst. Der Gewinn des Dagmerseller Kulturbatzens bedeute ihm deshalb viel, sehr viel. Degu freut sich aus ganzem Herzen, strahlt mit dem aufgestellten Weihnachtskerzli auf der Werkbank um die Wette.


Easy Portugisi

Ein paar Fensterchen hat er seinen Kulturpreis auch zu verdanken. Nicht die drei aus Glas, welche den einen oder an- deren Sonnenstrahl in die dunkle Werk- statt lassen. «Äh jo. Die Jonge müend eri Erfahrige mache», sagt Degu auf die Kolbenfensterchen angesprochen, welche die Dagmerseller Töffli-Jugend in seinem Paradies mehr oder weniger heimlich an ihren Motoren anbringen. Er lässt die Kids in seiner Werkstatt «schruben». Mit der Polizei habe er trotzdem ein gutes Verhältnis. «Wir schaffen Hand in Hand. Letztlich bekommen wir so beide Arbeit», sagt Degu und lacht.

Über Arbeit kann er sich übrigens nicht beklagen. Die Uffiker, Buchser und Dagmerseller Schüler schätzen Degus Service. Zu seiner treuen Kundschaft gehören ambitionierte Biker und junge Mütter. Ihre im Kaufhaus gekauften «Schicki-Micki-Chärre» für den Dreikäsehoch bringt

Degu ebenso auf Vordermann wie den ausgeschaubten Dreigänger von dessen Grossvater. Degu repariert alte Trouvaillen, verkauft die neusten Bikes. Zudem amtet er als Anmeldebüro für den Ski- und Veloclub, schlüpft in den Ferien des Rössli-Wirtepaares auch schon mal in die Rolle des Hoteliers. «Es esch jo nooch öbere», meint er. Macht er selbst auch mal Ferien? «Ja. Aber ohne Voranmeldung.» Sonst brächten ihm alle noch schnell das Velo. Sein Motto «Easy Portugisi» könne er dann vergessen. Darum dreht Degu ganz einfach das Schild an seiner Türe, wenn er irgendwo mit seiner Frau in der Weltgeschichte herumgondelt. Wegen zu ist dann geschlossen.


Wenn ich in die Ferien will, ist bei mir wegen zu geschlossen.

Ruedi «Degu» Brun, ein Dagmerseller mit Leib und Seele


Der harte Franken und das weiche Gemüt

Ruedi Brun lebt für seine kleine Werkstatt. Hier, wo er bereits als Dreikäsehoch Vater Jost zur Hand gegangen ist. «Moor- Velos» hat die Familie zusammengeschraubt. Jede Woche fuhr ein Lastwagen voll mit den in Olten hergestellten «Swiss Made»-Drahteseln vor, denen Vater Brun den letzten Schliff verpasste. «Bereits als Primarschüler verliebte ich mich in die Werkstatt. Ich wollte sie einmal übernehmen», sagt Degu. Früher als erwartet und erhofft wurde dieser Wunsch Realität. Der Tod seines Vaters liess den damals 25-jährigen Mechaniker der Zahnradfabrik Grob ins Geschäft einsteigen.

Den Entscheid hat Degu nie bereut. Sein Budeli ist zwar klein doch bis heute reiche es zum Leben. Und dies, obwohl ein Ökonome bei Degus Geschäftspraktiken wohl den Kopf schütteln würde. «Geschmer en Füfliber» gehört zu Bruns Standardrepertoire, wenn er eine scheinbar «kleinere Reparatur» vornehmen muss. Rechnen würde sich das nicht. Oder doch? «Der Gewinn des Kulturpreises zeigt augenscheinlich, dass alles wieder einmal zurückkommt», sagt Degu und strahlt. Wer ihm ins Gesicht blickt, merkt dabei, dass ihm die 2011 Franken viel weniger bedeuten als die ihm zuteil gewordene Ehre. Dieser Mann ist im siebten Himmel, der bei ihm voller Felgen hängt.

but not least ein stolzer Dagmerseller. «Ich wohne im schönsten Dorf mit den nettesten Leuten», sagt Degu ernst. Der Gewinn des Dagmerseller Kulturbatzens bedeute ihm deshalb viel, sehr viel. Degu freut sich aus ganzem Herzen, strahlt mit dem aufgestellten Weihnachtskerzli auf der Werkbank um die Wette.